Noch zehn Tage bis zur Europawahl und an jeder Straßenecke prangen bunte, möglichst auffällige Plakate der verschiedensten Parteien und übergroße Bilder der politischen Repräsentanten unseres Landes (oder solcher die es werden wollen). Neben „Demokratie“, „Sicherheit“ und „Zukunft“ fällt mir besonders das Wort „Freiheit“ in vielen der Slogans auf. Ein Wort, das sogar im deutschen Leitsatz („Einigkeit und Recht und Freiheit“) aufgeführt wird und bereits im zweiten Artikel unseres Grundgesetzes – also direkt nach der Würde des Menschen – ist „das Recht, Freiheit zu haben“ festgehalten.

Dieses Recht gibt es glücklicherweise nicht nur in Deutschland. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte beginnt in Artikel 1 mit den Worten: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Hier werden Freiheit und Würde des Menschen sogar in einem Atemzug genannt. Aber was bedeutet Freiheit eigentlich? Und warum fühlt man in manchen Momenten mehr davon als in anderen?

Foto: Sebastian Heim

GEdanken zur Freiheit

Als wir kürzlich auf unserem Weg nach Norddänemark die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark passierten und der Verkehr etwas stockte, kamen mir mit der (völlig unbegründeten) „Angst“ vor einer Grenzkontrolle auch einige Gedanken zur Freiheit in den Kopf, die ich Anfang 2021 formuliert hatte als wir uns gerade (mal wieder) in einem Corona-Lockdown befunden hatten. Man hatte nur eingeschränkt Kontakt mit anderen Personen, es gab gerade die ersten Personen, die zum Schutz vor Corona und dadurch auch zum Wiedererlangen einiger Freiheiten geimpft werden konnten, Reisen waren auf ein Minimum beschränkt und nicht wie vor Corona möglich. Und ich hatte häufiger Fernweh oder fühlte mich in manchen Momenten „unfrei“. Im Februar 2021 schrieb ich folgende Gedanken dazu auf:

Bin heute morgen mit Fernweh aufgewacht. Mir fehlen Roadtrips, der Blick über die Wolken aus dem Flugzeugfenster. Mir fehlt das Meer. Mir fehlt das Gefühl der Freiheit.

Hab kurz darüber nachgedacht und festgestellt, wie gut es mir eigentlich geht. Wie selbstverständlich ich bislang über Grenzen gefahren bin – ohne Kontrollen. Wie privilegiert ich bin frei zu leben. Wie privilegiert, die Möglichkeit zu haben, die Welt zu bereisen. Und vor allem: wie frei ich im Hier und Jetzt bin.

Wie viele Gründe ich habe, dankbar zu sein. Wie oft achte ich nur auf große Besonderheiten. Ich möchte nicht für das Irgendwann und Irgendwo, nicht immer von Wochenende zu Wochenende oder von Urlaub zu Urlaub leben, sondern jetzt und hier. Möchte die kleinen Momente als die großen Wunder und Geschenke wahrnehmen, die sie sind. Und mich trotzdem freuen auf das Irgendwann am Meer.

Und bis es so weit ist zehre ich von den Erinnerungen an marokkanische Nächte auf warmen Lehmdächern mit Blick auf die Sterne oder dem Trubel des Marktes unter uns. An Bagel in New York. An laue Frühlingsabende auf Mauritius. An spontane Roadtrips an die niederländische Küste. An Vormittage auf Berggipfeln über den Wolken. An Gelato in Italien. Und Pasta. Und Pizza. Und Kaffee. An sonnige Spaziergänge durch San Franciscos steile Straßen oder leere Straßen und Sommerregen nachts in Rom. An Camping neben einer Schnellzugstrecke in Spanien und 27 Stunden Fahrt bis Tarragona. An Portugal im November. An Surfen in Waikiki. An Thermen in Budapest. An Tauchsessions im Pazifik, den Trubel in Palmas Altstadt. An belgische Waffeln und Blütenstraßen. An 93.1 FM im Jeep Wrangler. An Sommertage mit Blick über Berlin. An Offroadstrecken auf Fuerteventura. An Fahrradfahrten nach Polen zum Brötchen holen. An Taxen mit über 1.000.000 gelaufenen Kilometern.

Und an diesen Ausblick.“

Dazu teilte ich ein Bild vom Blick aus einem Flugzeugfenster.

Obejektive und Subjektive Freiheit

In Dänemark verbrachten wir unseren Urlaub in Løkken, in einem Haus mitten in den Dünen. Aus dem Wohnzimmer hatten wir direkten Blick auf mehrere Bunker. Deutsche Bunker, wie sich bald herausstellte, die im zweiten Weltkrieg von den Deutschen gebaut worden waren, während Dänemark unter deutscher Besatzung stand. Es ist ein sehr seltsames und einengendes Gefühl diese Bunker zu sehen, weil sie Mahnmale einer Zeit sind, in der die Würde und Freiheit von Menschen so mit Füßen getreten wurde. Diese Freiheit, die wir objektiv betrachtet gerade erleben und die unsere Generation schon fast als „selbstverständlich“ ansieht. Wir dürfen sie erleben, weil wir in Friedenszeiten leben.

Ich kam zu der Erkenntnis: Wir können nur wirklich frei sein, wenn wir Frieden haben – nicht „nur“ äußeren, sondern auch inneren Frieden.

Foto: Sebastian Heim

Wir können nur wirklich frei sein wenn wir Frieden haben – nicht nur äußeren, sondern vor allem inneren Frieden.

Für mich persönlich erklärt das ziemlich gut den Spalt zwischen der objektiven Freiheit und meiner subjektiv empfundenen Freiheit. Wenn ich darüber nachdenke, wann ich mich frei fühle, dann sind das eigentlich immer Momente, in denen ich auch Frieden empfinde. Das bedeutet nicht, dass Zeiten, in denen ich mich frei fühle, nicht auch herausgefordert oder sogar überfordert sein kann. Solange ich trotz allem mit mir im Reinen bin. Solange ich Frieden habe. Ich würde von mir behaupten, dass ich ein sehr harmoniebedürftiger Mensch bin. Ich konnte es schon in meiner Kindheit nicht lange aushalten ohne mich bei meinen Brüdern zu entschuldigen – selbst wenn ich mich eigentlich nicht hätte entschuldigen müssen – wenn wir uns gestritten hatten. Aber ich hatte selbst damals schon das Gefühl, dass mich so etwas Unausgesprochenes eher „gefangen“ nahm und einengte. Hatte ich durch eine Entschuldigung (oder in anderer Weise) Frieden geschlossen, dann war ich auch wieder frei. Oder nahm meine Freiheit wieder besser wahr.

NIE WIEDER IST JETZT

Ich weiß, warum Freiheit so ein wichtiges Schlagwort für die vielen Wahlplakate ist. Eigentlich verstecken sich in diesem Wort nämlich drei Worte: Freiheit und Frieden. Oder viel eher: Freiheit durch Frieden.

Und sowohl Freiheit als auch Frieden sind in unserer heutigen Zeit ein sehr wertvolles Gut, für das wir uns einsetzen sollten – mit allem, was in unserer Macht steht, all unseren Rechten und allen Möglichkeiten, die sich uns bieten.

Meine subjektiv wahrgenommene Freiheit kann mir keine Partei dieser Welt ermöglichen. Für sie muss und darf ich mich jeden Tag neu einsetzen und entscheiden, in dem ich Frieden mit anderen und mit mir selbst schließe und bewahre. Aber ich bin dankbar, dass ich in einem Land leben darf und mit meiner Stimme mit dazu beitragen kann (und meiner Meinung auch muss), damit das Recht eines jeden Menschen, Freiheit zu haben nie wieder mit Füßen getreten wird.

Am 9. Juni ist Europawahl – bitte macht Gebrauch von eurem Stimmrecht und wählt für die Freiheit!